Auch fast 50 Jahre nach der Entstehung von Hip-Hop in der South Bronx, nach weltweiter Vermarktung und weltweiter Verwurzelung, nach Generationskämpfen und Retro-Wellen, nach der Öffnung für Stimmen weit jenseits des Macho-Hetero-Mainstreams, gibt es eine Regel: Wer die beste catchphrase hat, dem gehört die Welt. Oder besser: Der gehört die Welt. Im Moment und auf absehbare Zeit ist das die Rapperin Cardi B aus New York. Cardi B hingegen hatte nur einen gewissen Ruf in sozialen Medien, eine Rolle in einer Realityshow und eine frühere Tätigkeit als Stripperin in New York.
Dabei hat Cardi B mehr star quality als Bruno Mars Vorbilder, dazu noch eine Geschichte, das Geschick, sie zu erzählen sowie Humor, Herz und Kampfgeist. Die Frage, wie sich Biggie Smalls anhören würde, wenn er auf Typen stehen würde, hat in den Neunzigern Lil Kim und zehn Jahre später die frühe Nicki Minaj beantwortet. Zu den Wider- kommen die Ansprüche, die an sie gestellt werden, denn Cardi B macht nicht einfach nur Hip-Hop, sondern ist ein weiblicher MC.
Das ist eine, historisch gesehen, gleichzeitig weniger prekäre und trotzdem tragischere Position, als manchmal angenommen. Die beste, nicht die meistverkaufteste allerdings, und von spätem Ruhm oder einfach der Genugtuung, Pionierin gewesen zu sein, kann man sich nichts kaufen, keine money moves machen.
Mit Princess Nokia teilt sich Cardi B die hispanischen Wurzeln — ihr Vater kommt aus der Dominikanischen Republik und spricht mit ihr nur Spanisch, ihre Mutter ist von der Insel Trinidad und spricht nur gebrochenes Englisch. Dieser Sprachmix hat Cardi B geprägt. Wenn diese Art von Verbalkunst auch abseits der Rap-Szene Beachtung findet, dann meist nur mit einer ganzen Ladung Projektionen, Vorbehalten und Exotisierungen.
So wie bei Haftbefehl, der erst zum neuen Goethe oder Savant verklärt werden musste, um ernst genommen zu werden, weil ein rauer, kluger und stilbildender Rapper aus Offenbach zu sein anscheinend nicht ausreicht. Möglich, dass Cardi B in manchen Kreisen das gleiche Schicksal droht, aber ihre Liebe für das gesprochene Wort ist ansteckend. Im Porträt von Caity Weaver erklärt sie, wie lange sie über solche Feinheiten nachdenkt. Momentan ist das der Rapper Offset von der Gruppe Migos. Im Vergleich zu deren reduziertem Trap-Sound klingt Cardi, die unter anderem Boogaloo-Ikone Pete Rodriguez sampelt und richtige stories erzählt, statt nur in Fetzen zu rappen, fast schon klassizistisch.
